Hilbert-Piano, gebaut vor dem 2. Weltkrieg

Dieses Klavier trägt zwei Namen. Außen ist es ein Hilbert-Piano, während auf der Gussplatte Hilbert-Winkelmann steht.

Hilbert, Tastenklappe Hilbert-Winkelmann, Gussplatte

Das sind die Geschichten des Klavierbaus in Deutschland. Um 1900 gab es massenhaft Klavierbauer. Alleine in Berlin sollen es 180 Klavierfabriken gewesen sein. Unsere Klaviermarke hieß zuerst Winkelmann & Co., dann Hilbert-Winkelmann und am Ende nur noch Hilbert. Dieses Klavier wurde vermutlich kurz vor dem Ende der Firma und somit vor 1940 gebaut. Es handelt sich um einen bereits modernen Kreuzsaiter mit einer Unterdämpfer-Mechanik.

Das Instrument ist 130 cm hoch. Der hohe Klangkörper verbunden mit einer Bassbrücke versprechen einen guten Klang.

Hilbert Bassbrücke

Doch der erhofft gute Klang wird beim Probespiel getrübt von einer ziemlich starken Verstimmung sowie von Nebengeräuschen beim Treten des rechten Pedals.

Hilbert Piano verstimmt

Der Grad der Verstimmung könnte ein Hinweis darauf sein, dass unser Piano einen Schaden hat. Tatsächlich ist im Resonanzboden ein relativ starker Riss zu sehen. Ist das Klavier nun kaputt? Nein. Der Resonanzboden schwingt und klingt trotz des Risses. Der sichtbare Holzschaden im Zusammenhang mit einer gravierenden Verstimmung können jedoch darauf hinweisen, dass im Stimmstock ebenfalls Risse sind, die sich negativ auf die Stimmhaltung und Stimmbarkeit auswirken können.

Riss im Resonanzboden

Die Stimmnägel sitzen unterschiedlich fest. Daher orientiere ich mich an der vorhandenen Tonhöhe von 418 Hertz. Die Tonhöhe entspricht fast dem Kammerton zur Zeit Johann Sebastian Bachs. Die gute Stimmung gelingt - und tatsächlich kann das Piano nun seinen Wohlklang entfalten. Nur das Nebengeräusch des rechten Tonhaltepedals stört noch die entspannende Wirkung der Klaviermusik.

Hilbert 418 Hertz gestimmt

Das Nebengeräusch lässt sich beseitigen und jetzt kann man sich als Klavierspieler so richtig auf die Performance des Werks konzentrieren. Ohne Störung und gut gestimmt wird man regelrecht durch das Stück getragen. Das Phänomen nennt sich Flow und wurde von dem Professor für Psychologie mit dem schier unaussprechlichen Namen Mihály Csíkszentmihályi erfolgreich publiziert. Das Flow-Konzept ähnelt im Ansatz der Erlebnispädagogik von Kurt Hahn (1908), der Polarisation der Aufmkerksamkeit von Maria Montessori sowie der peak experience (euphorische Gipfelerlebnisse) des Begründers der Humanistischen Psychologie Abraham Maslow (1964).

Ohne Nebengeräusche

Das Klavier aus unserem Hörbeispiel ist vor allem innerlich ein richtig schönes Instrument, da es über eine aufwendig verarbeitete Gussplatte verfügt. Dieses Schmuckstück verführt regelrecht zu dem Gedanken, daraus ein Transparent-Piano zur Optimierung der Selbstharmonisierung am Piano mittels der funktional gestalteten Pianosphäre zu machen.

Hilbert Klavierinnenleben Gussplatte Verzierungen

Zum Schluss erzählen die Pedale mal wieder eine Geschichte. Doch diesmal ist es nicht die immer gleiche Story, denn beide Pedale sehen gleich unbenutzt aus. Offensichtlich hat unser Piano nun eine längere Spielpause hinter sich. Nun beginnt noch einmal ein neues Klavierleben, an einem neuen Standort, bei einer neuen Familie.

Hilbert Klavierpedale
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